Fünf Fragen an Autor Frank Goyke zu seinem neuen Kriminalroman Saat der Wut
Lieber Herr Goyke, Ende August erscheint Ihr neuer Kriminalroman Saat der Wut bei uns im Jaron Verlag. Die Polizei ermittelt darin in einem Mordfall – können Sie kurz erzählen, worum es geht?
Einige Tage vor dem Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma am 2. August wird auf dem Parkfriedhof Marzahn eine junge Frau ermordet, und zwar in der Nähe des Gedenksteins für Sinti und Roma. In der Nacht vom 2. zum 3. August 1944 wurde das sogenannte »Zigeunerlager« in Auschwitz-Birkenau von der SS »liquidiert«, was bedeutet, dass alle Häftlinge ermordet wurden. Deshalb gibt es den Gedenktag.
Bei den Ermittlungen der Mordkommission stellt sich heraus, dass die Ermordete Marija Subotić heißt, dass sie Mitglied der Linkspartei war und eine bekannte Roma-Aktivistin. Auf dem Friedhof weilte sie, weil sie für den 2. August eine große Tour für Abgeordnete an Stätten in Berlin vorbereiten wollte, die mit der Geschichte und Leidensgeschichte der Sinti und Roma in Deutschland zu tun haben. Marija war eine sehr leidenschaftliche Kämpferin gegen das Unrecht und hat sich viele Feinde gemacht. Natürlich ermitteln die Kriminalisten auch im rechtsradikalen Milieu, aber Marija Subotić hat sich mit so vielen Personen und Institutionen angelegt, dass der Kreis der Verdächtigen immer größer wird, sogar in der eigenen Partei.
Das Ermittlungsteam um Jasper Akkermann besteht aus vier sehr unterschiedlichen Charakteren. Wie haben Sie das Team »zusammengestellt«?
Zunächst war mit klar, dass das Team weder gut quotiert sein soll noch dass die Ermittler*innen übermäßig große Macken haben: keine Alkoholiker, keine Menschen mit Depressionen, keine einsamen Wölf*innen. Alle leben in einer Beziehung oder Ehe, die meisten haben Kinder.
Da die Polizei immer noch ein »Männerladen« ist, sind die beiden Chefs Akkermann und Kupfer Männer. Es gibt noch einen dritten Mann im Kommissariat, aber auch zwei Frauen: die Spurensicherungs-Frau Lena Spillner und Ceyda Demirci. Wie der Name verrät, ist sie türkeistämmig (nicht türkischstämmig, darauf legt sie Wert). So ungefähr soll das Team die Verhältnisse bei der Berliner Polizei spiegeln.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Kriminalroman rund um eine Roma-Aktivistin zu schreiben?
Das Thema »Sinti und Roma« beschäftigt mich schon lange, unter anderem auch, weil diese Menschen meine Nachbarn sind. Der Ausgangspunkt war die Feststellung: Ich sehe immer wieder traditionell gekleidete Roma-Frauen in Berlin (andere fallen ja nicht ins Auge) und weiß so gar nichts über sie – kenne nur die Stereotype. 2017 gab es dann einen Themenraum »Sinti und Roma« in der Amerika-Gedenkbibliothek sowie Veranstaltungen um das Thema, dort habe ich die ersten Schritte unternommen. Ich habe an Führungen teilgenommen, habe mit jungen Roma und Romnja gesprochen – und war empört über ihre Diskriminierungserfahrungen. Das hat mich dann auch motiviert, das Thema in Angriff zu nehmen.
In Saat der Wut werden viele gesellschaftspolitische Themen diskutiert und historische Hintergründe erläutert. Wie haben Sie dafür recherchiert?
Ich habe mich zunächst einmal durch die Literatur gelesen und auch alle Veröffentlichungen von Sinti-und-Roma-Verbänden studiert. Hätte ich mir einen anderen Gegenstand gesucht – z. B. die Erfahrungen von Polen oder Ungarn in Deutschland –, hätte ich in deren Land fahren und ein Nationalmuseum besuchen können. Sinti und Roma haben kein solches Land, es gibt keinen Staat, keine Hauptstadt: »Ohne Heim, ohne Grab« lautet der Titel eines Buches zur Geschichte der Roma und Sinti. Ich habe Veranstaltungen besucht, und nachdem ich beschlossen hatte, dass die Familie Subotić aus Serbien stammt, war ich auch in Belgrad. Eine erschütternde Erfahrung, denn dort leben viele Roma in Slums, aber ebenso eine schöne Begegnung – im Roma-Kulturzentrum ERIAC (European Roma Institute for Arts and Culture) hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit dem Büroleiter bzw. Geschäftsführer – es gibt seit Langem schon Menschen aus der Community mit akademischer Ausbildung. Natürlich gehörte auch ein Besuch in Auschwitz zur Recherche.
Sie haben schon viele Krimis geschrieben. Was macht Saat der Wut für Sie besonders?
Es ist diese kämpferische Leidenschaft des Opfers, das zwar öfter einmal über das Ziel hinausschießt, aber der Wunsch, etwas bewegen zu wollen, imponiert mir (ich meine jetzt natürlich bei nicht fiktiven Menschen, die in gewisser Weise das Vorbild der erfundenen Figur sind). Außerdem ist es mein erster Krimi, in dem das Politische eine tragende Rolle spielt, ohne dass ich von einem Politthriller sprechen möchte, denn das ist der Roman nicht.
Und dann ist es eine kleine Abrechnung mit all den Menschen, die ihre egoistischen Ziele von einem hohen moralischen Standpunkt aus verfolgen, die Wasser predigen und Wein trinken. Diese Abrechnung war schon lange fällig …
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